Du verhältst dich manchmal seltsam und hast keine Ahnung warum? Hier findest du die Antwort.
Wenn wir nicht das tun, was unser autonomes Nervensystem und unser ganzer Körper tun WOLLEN, sobald wir bedroht werden oder ein hohes Maß an Stress haben, das sich unserer Kontrolle entzieht, speichern wir es in unserer Physiologie. Dann entsteht eine Körpererinnerung. In meiner Branche nennen wir das „Prozeduralgedächtnis“ oder eben „Körpergedächtnis“.
Wenn wir uns bedroht fühlen und unser Nervensystem mit einer Stressreaktion uns zu schützen versucht, ist das gesund und völlig normal. Das geht blitzschnell und automatisch. Das ist die Aufgabe einer solchen Stressreaktion.
Wenn wir diese Stressreaktion dann aber aus irgendeinem Grund nicht ausführen können (z.B. weil wir als Kinder festgehalten werden und nicht weglaufen können, obwohl jede Zelle in uns schreit, dass wir weg wollen), wird diese Stressreaktion in unserem Körper gespeichert als Körpergedächtnis, oder auch Prozeduralgedächtnis. Das ist eine im Körper eingeschlossene Überlebensreaktion.
Ein Beispiel: Ich halte mein Baby im Arm und plötzlich bemerke ich, dass ein Ast von dem Baum abbricht, unter dem wir stehen. Meine Hände würden normalerweise nach oben vor meinen Kopf schnellen, um mein Gehirn zu schützen. Dafür sorgt das autonome Nervensystem, wie gesagt, automatisch und blitzschnell. Da ich aber mein Baby auf dem Arm habe, wird diese Reaktion unterdrückt, damit mein Baby nicht runterfällt und sich vielleicht lebensgefährlich verletzt. Dadurch wird die originale Stressreaktion überschrieben und bleibt im Keim „stecken“. Der Schock und die Anspannung im meinem Körper bleiben allerdings mit „stecken“ und sind in dem dadurch entstandenen Prozeduralgedächtnis nun gespeichert. Das kann dazu führen, dass mein Körper sich jedes Mal völlig verspannt, wenn ich im Wald bin, oder durch den Stadtpark spaziere und auch nur das geringste Geräusch wahrnehme, was mich (unterbewusst!) an einem herabfallenden Ast erinnert. Vielleicht erhöht sich auch mein Herzschlag, ich bekomme Schweißausbrüche oder bin nicht in der Lage, die Unterhaltung mit meiner Begleitung fortzuführen. Das ist der Effekt von Körpererinnerungen.
Dieses Körpergedächtnis enthält also eine unterdrückte Bewegung, die mich hätte schützen sollen vor dem herabfallenden Ast. Wenn wir dieses Körpergedächtnis lösen wollen, müssen wir die unvollständige Reaktion, also die unvollendete Bewegung des Körpers zu Ende führen. Wenn die unterdrückte Bewegung, also wie in diesem Beispiel, die Bewegung meiner Hände über den Kopf war, um mein Gehirn zu schützen, muss ich genau diese Bewegung zu Ende führen.
Richtig blöd wird es, wenn eine solche Situation in meiner Beziehung entsteht. Vielleicht sieht mein Partner mich genauso an, wie mein Vater es getan hat als ich klein war. Damals hat dieser Blick bedeutet, dass mein Vater sauer war. Dann hat er sich immer zurückgezogen und tagelang nicht mit mir gesprochen. Ich wäre so gerne zu ihm gekommen, wenn meine Mutter nicht da war (normale Stressreaktion – die Suche nach Kontakt). Aber es ging einfach nicht. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie die gesunde, normale Reaktion des autonomen Nervensystems einfach überschrieben wird. Die Erregung, die in diesem Fall vielleicht mit Angst und Anspannung einhergeht, bleibt auch im Körper stecken und wird zu einer Körpererinnerung. Wenn mein Partner mich also jetzt mit einem solchen Blick ansieht, geht diese ganze Kaskade in mir los. Dann kann ich einfach nicht auf meinen Partner zu gehen. Ich friere ein und bin nicht in der Lage, mit ihm in Kontakt zu gehen. Stattdessen sondere ich mich ab und ziehe mich zurück in mein Zimmer. Leider, ohne dass mein Partner versteht, was los ist.
Gott sei Dank bin ich mit den richtigen Methoden in Berührung gekommen, die mir geholfen haben, diese Körpererinnerungen zu lösen. Mit Hilfe von Somatic Experiencing und TRE habe ich mich über eine gewisse Zeit hinweg vollkommen davon befreien können. Heute bin ich in der Lage, geerdet und in meiner Mitte zu bleiben, egal wie mein Partner mich ansieht.
Der Umgang mit Körpererinnerungen bei der Genesung von posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) ist also maßgeblich abhängig von der Lösung dieser Erinnerungen aus der Physiologie unseres Körpers. Wenn ich also vom Umgang mit Körpererinnerungen im Rahmen von PTBS berichten möchte, ist die Lösung mit Hilfe von Somatic Experiencing oder TRE mit Sicherheit die beste Lösung. Beides verlangt allerdings nach Hilfe von außen. Aber nicht jeder ist bereit dazu. Deshalb möchte ich hier einige Tipps geben, die den Umgang mit Körpererinnerungen etwas leichter macht.
Zunächst mal: Körperliche Erinnerungen unterscheiden sich von Flashbacks. Ein Flashback ist eine plötzliche, lebhafte Erinnerung, bei der du das Gefühl hast, dein Trauma noch einmal zu erleben. Es ist ein körperliches Gefühl, dabei gewesen zu sein, und nicht nur eine normale Erinnerung, in der du dich an das Geschehene erinnerst. Körperliche Erinnerungen sind jedoch eine andere Art des Wiedererlebens von Traumata, die zwar weit weniger intensiv, aber immer noch verstörend sind. Körpererinnerungen sind nicht so leicht zu erkennen; sie können jahrelang psychosomatische Probleme verursachen, bevor du sie als Körpererinnerung erkennst.
Hier ein Beispiel von Anton, einer meiner Klienten:
„Jedes Jahr um diese Zeit scheinen sich meine PTBS-Symptome zu verschlimmern. Ich werde oft depressiv, und die Verzweiflung steht vor der Tür. Ich habe das allgemeine Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren wird und dass ich nur auf eine Katastrophe warte. Vor einigen Jahren habe ich festgestellt, dass diese Gefühle ungefähr zur gleichen Zeit auftauchen, wenn die Jahreszeiten vom Sommer zum Herbst wechseln. Wenn die heißen Tage abkühlen, werde ich ängstlich, traurig und ein bisschen paranoid. Aber das ist keine normale saisonale affektive Störung.
Ich habe den Zeitpunkt meines Stimmungsumschwungs zwar schon vor einiger Zeit erkannt, aber erst vor kurzem ist mir klar geworden, warum er jedes Jahr im Oktober auftritt. Der Grund ist, dass sich mein Körper an eine traumatische Zeit in meinem Leben erinnert, auch wenn mein Verstand das nicht tut.“
Das Gehirn ist nicht der einzige Teil unseres Körpers, der sich an ein Trauma erinnert. Jede Zelle unseres Körpers ist in der Lage, sich an ein Trauma zu erinnern, auch wenn unser Gehirn nicht bewusst daran denkt.(1) Während sich Anton also nicht speziell an das Trauma erinnert, das er im vergangenen Herbst erlitten hat, tut es sein Körper. Für ihn bedeutet das, dass seine Depressionen und Ängste in den Vordergrund rücken, er mehr schlafen möchte und sich vom Rest der Welt abkapseln möchte.
Der Umgang mit Körpererinnerungen in der PTBS-Genesung
Es gibt Dinge, die er tun kann, um mit den PTBS Symptomen umzugehen. Im Folgenden nenne ich die Dinge, die ihm helfen, die schwierigen Zeiten mit Körpererinnerungen in der PTBS-Genesung zu überstehen:
Es ist wichtig, sich zu erlauben, die Körperempfindung und die eventuell damit verbundenen Gefühle „da sein zu lassen“ und zu fühlen. Das ist nicht leicht. Deshalb ist es an dieser Stelle sehr hilfreich, sich eine Therapeutin oder einen Therapeuten deines Vertrauens zu suchen, die oder der hier große Unterstützung bieten kann.
Viele von uns neigen dazu, negative Gefühle zu verdrängen oder wegzustecken. Auch ich habe das lange Zeit so gemacht. Nun weiß ich aber, dass dies kein gesunder Weg ist, mit unerwünschten Gefühlen umzugehen. Die unterdrückten Gefühle werden uns so lange sabotieren, bis sie gefühlt und bewältigt werden.
Gute Selbstfürsorge ist hier besonders wichtig. Wenn ich mit einem PTBS-Symptom zu tun habe, muss ich darauf achten, dass ich mich um mich selbst kümmere. Das heißt, ich muss essen, wenn ich hungrig bin, schlafen, wenn ich müde bin, und Dinge tun, die mir helfen, mich besser zu fühlen. In der Traumaarbeit nennen wir das Resourcing. Das ist ein wichtiger Bestandteil der Heilung. Wenn du also merkst, dass du in einem der Stressreaktionen Kampf/Flucht oder Erstarrung festhängst, tue dir auf jeden Fall etwas Gutes. Das ist ganz wichtig in einer solchen Situation. Für mich ist es das Beste, ein paar Stunden in den Wald zu gehen. Das hilft meistens.
Suche Kontakt. Vielleicht musst du dich dazu überwinden, denn dein Nervensystem sagt dir, dass du dich besser isolieren und schützen solltest. Aber der Kontakt mit einem wohlwollenden Menschen hilft deinem Nervensystem, sich zu entspannen (vorausgesetzt dieser Mensch ist auch entspannt).
Mache einen Reality Check. Mir selbst bewusst zu machen, dass es mir hier und jetzt gut geht und ich in Sicherheit bin, ist wichtig. Ganz gleich, ob ich einen Flashback habe, eine Körpererinnerung oder einfach nur an etwas Schlimmes denke, ich muss mich daran erinnern, dass ich überlebt habe und nicht mehr in dieser Situation bin. Das zu tun, und zwar immer wieder, ist ein wichtiger Bestandteil der Heilung von PTBS.
Körperliche Erinnerungen können, wie jedes andere PTBS-Symptom auch, geheilt werden. Ich kenne zwei Methoden, die dabei helfen: Somatic Experiencing und TRE (Trauma Releasing Exercises). Vielleicht kennst du weitere Methoden wie EMDR, allerdings ist es speziell bei EMDR zum Beispiel notwendig, dass du dich genau an die Trauma-verursachende Situation erinnern kannst. Und das ist oft nicht der Fall, wenn es um Körpererinnerungen geht, denn diese sind sehr häufig entstanden, als du noch keine 3 Jahre alt warst und dein Gedächtnis noch nicht voll ausgebildet war.
Sprich mich noch heute an, um einen Termin mit mir zu vereinbaren. Lass gerne einen Kommentar da oder schreibe in den Kommentaren, wenn du Fragen hast zu diesem Beitrag. Ich freue mich, von dir zu hören. Bis dahin, liebe Grüße, Aneesha
1 Van Der Kolk, B. (2009, 3. Juli). The Body Keeps the Score: Memory and the Evolving Psychobiology of Posttraumatic Stress. Abgerufen am 11. Oktober 2015.
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